Sommersonnenwende – Ein Fest der Sonne
Aus meinem Sabbat Jahr – Juni 2013
Die Sommersonnenwende hat hier im Norden von Kanada und Alaska eine ganz besondere Bedeutung: nach langen 8 Wintermonaten ist es endlich soweit. Der erste Schnee fällt hier Anfang Oktober und erst Ende Mai schmilzt das Eis auf Seen und Flüssen. Die Sonne hat am 21 Juni ihre hohe Kraft. Es ist der Tag, an dem die Sonne am längsten scheint und die Nacht am kürzesten ist.
Hier im Yukon, etwas südlich des Polarkreises bedeutet das, dass es nicht richtig dunkel wird. Sobald die Sonne spät in der Nacht untergegangen ist, dämmert es für ein paar Stunden und schon wird es wieder hell. Im Winter ist es genau umgekehrt. Die Sonne scheint, wenn überhaupt sichtbar, nur für ein paar Stunden, ansonsten ist es dämmrig. Deshalb freuen sich die Menschen auf den lang ersehnten Sommer! Das Licht hat Kraft und gibt wieder Wärme und Hoffnung.
Überall im Land wurde und wird bis heute die Sommersonnwende gefeiert. Hier in Carcross laden die First Nation People (so nennen sich die Indianer hier) um 4.00h morgens zu einer Sonnenaufgangs- Zeremonie ein. Lagerfeuer, Räuchern, Gebete, traditionelle Gesänge und Tänze. Zum Abschluss gibt es einen Bannock ( indianisches Brot) Backwettbewerb mit Preisverleihung. Die angebrannten Bannocks bringen natürlich die meisten Lacher und werden besonders geehrt. Bei Bannock und Lagerfeuer poppen überall lustige Geschichten auf über angebrannte Bannocks und fliegende Pfannen, über verrückte Jagden und über Pleiten, Pech und Pannen im Busch.
Visionssuche auf Native Land
Die Sommersonnwende- Zeremonie war für mich eine starke Einstimmung auf die kommenden Tage. Mein größter Wunsch war es, so viel Zeit wie möglich in der Wildnis, oder wie die Einheimischen sagen, im Bush zu verbringen. Mein zweiter Wunsch war es, mir Zeit für meine innere Wildnis zu nehmen.
In alter Tradition wollte ich auf Visionssuche gehen. Feuer, Wasser, Luft und Erde, der alte Weg der Heilung. Ein altes Ritual, bei dem man vier Tage und vier Nächte, fastend und allein im Wald oder in den Bergen sitzt und mit sich und seinem Leben Zwiesprache hält. Zwiesprache mit seinen Ängsten und Befürchtungen, aber ebenso mit seinen Kräften und Gaben.
Ich hatte großes Glück, dass mich eine Freundin und Vuntut Gwitschin Indianerin und Erl, ein Träumer, so nennt er sich, da er intensive Träume hat, mir einen ganz besonderen Platz vorschlugen: einen uralten Versammlungs- und Zeremonieplatz der Tlingit-Indianer.
Hier kamen die First Nation People aus Alaska und Kanada zusammen, um Neuigkeiten auszutauschen, Feste und Zeremonien zu feiern, mit den Küstenstämmen Handel zu treiben und nach gemeinschaftlichen Jagden Elchfleisch und Lachse zu trocknen. Ein alter und starker Platz.
Auf diesem Platz gab es ein großes altes Medizinrad. Auf der Erde lag ein mit kleinen Steinen markierter 15m großer Kreis mit innenliegendem Kreuz. Dort wo das Kreuz den Kreis berührte standen farbige Gebetsflaggen, wie in der Mitte des Kreuzes. Insgesamt waren es 7 Gebetsfahnen. Gelb im Osten, Rot im Süden. Schwarz im Westen, Weiß im Norden. In der Mitte des Kreises stand ein großer Stab mit drei Fahnen. Die unterste Grüne steht für die Erde, die darüber liegende rosa Fahne steht für die Liebe und die Mitte und die obere Blaue steht für den Himmel.
Der circa 30cm hohe Steinwall bestand aus tausenden von Steinen. Jeder der hierher zum Beten kam, brachte einen Stein mit und legte ihn anschließend an den Kreis oder ans Kreuz. Hier lagen tausende von Gebetssteinen!
In diesem heiligen Kreis durfte ich 4 Tage sein und meinen Fragen und Träumen nachgehen. Mit Räuchern, Singen und Gebeten baten meine Begleiter und Hüter die Ahnen und Kräfte des Ortes, mich zu schützen und auf meinem Weg zu begleiten.
Großvater Bär, stechende Mücken und heiliges Wasser
Schon zu Hause vor meiner Reise überlegte ich mir, wie ich mit dem Thema Bären umgehen sollte. Meine größte Befürchtung war es, dass ein neugieriger Bär an meinem Visionssuche Platz vorbeischauen könnte. Wie würde ich mich verhalten? Wie könnte ich mich wehren? Meine Befürchtung war nicht ganz unbegründet, denn schließlich ist der Yukon Bärenland. In Absprache mit meinen Unterstützern entschloss ich mich, mich ohne Waffen der Zeremonie hinzugeben. Ich würde mich auf den Moment und meine innere Kraft verlassen.
Meine indianische Freundin konnte es nicht lassen und meinte beim Abschied, ich solle auf Großvater Bär aufpassen; seit Tagen würde ein Grizzly in der Gegend herumstreunen. Tolle Wurst, das habe ich gerade noch gebraucht.
Der Yukon ist nicht nur Bärenland, sondern im Sommer an Stellen, wo der Wind kaum weht, auch Mückenland. Dieser Medizinplatz war ein Mücken Hotspot! Abermillionen von Mücken schwirrten durch die Luft. Die Mücken, die Hitze und 2 Tage ohne Wasser haben mich immens gefordert. Die Gedanken, dass mich ein Bär besuchen könnte, waren wie von magischer Hand verschwunden. Dennoch lief eines Nachts ein schweres Tier, ein Wolf oder Bär, an meinem Platz vorbei. Ich konnte das Vibrieren auf dem Boden spüren.
Es ist sehr schwer, aber auch nicht ratsam hier von den Schätzen zu erzählen, die mir begegnet sind. Einerseits sind sie sehr persönlich, anderseits aber noch zu fein und neu, als dass sie schon erzählt werden könnten. Manche Erlebnisse brauchen Zeit, um ihre Kraft entwickeln zu können.
Wasser ist Leben
Was ich gerne erzählen möchte ist, dass mir das Wasser in seinen vielfältigen Formen im Wachen wie in Träumen begegnete. Das Wasser in den Wolken, die Regentropfen auf meinem Zelt, mein Schweiß und mein Blut im Moskito. Das Wissen, das Wasser in jedem noch so kleinem Lebewesen ist und dass wir Menschen aus 80% Wasser bestehen ist absolut beeindruckend. Ich tauchte in Gedanken in kühlen trinkbaren Seen, sah glitzernde Fische und flog über Jahrtausende alte Gletscher.
Nach zweieinhalb Tagen ohne Wasser und bei ungefähr 25°C wurde mir bewusst, dass ich, wenn ich weiterhin kein Wasser trinken würde, meine Organe versagen könnten und ich sterbe könnte. Am dritten Tag trank ich das erste Wasser. Das Wasser, die Hitze und die Moskitos wurden für mich zu großen Lehrern.
Vor der Visionssuche traf ich einen Yukoner, der in Afrika war. Er erzählte mir, dass er sich in der Steppe an einem verschmutzten Wasserloch mit einem Afrikaner unterhalten habe. Er erzählte dem Afrikaner, dass er aus einem Land der tausend Seen käme. Alles bestes sauberes Trinkwasser und wenn er wolle könnte er jeden Tag Fisch essen. Der Afrikaner staunte und meinte, dass er in einem sehr reichen Land lebe. Recht hat er. Die ganze Zeit ging mir durch den Kopf: Wasser ist Leben, Wasser ist Leben, Wasser ist so kostbar. Einen großen Dank an das Wasser, dass uns am Leben erhält und uns mit allen Lebewesen verbindet. Wir müssen das Wasser schützen und hüten, damit wir leben können.