Auf nach Neuseeland
Mitte November lief nach wunderschönen sechs Monaten mein Aufenthaltsvisum in Kanada aus. Mein größter Wunsch war es ein Jahr in Kanada zu bleiben. Das hat leider nicht geklappt. Als mein Sabbat Jahr startete sagte ich mir: „Ich werde alles tun, um meinen Träumen zu folgen. Andernfalls nehme ich es, wie es kommt“.
Jetzt war es so weit, ich musste von Kanada Abschied nehmen. So entschied ich mich nach Neuseeland zu fliegen. Meine jüngere Tochter Luna machte auf ihrer Weltreise gerade auf Neuseeland einen Zwischenstopp. Vielleicht könnten wir uns treffen. Ein zweiter großer Wunsch war, Albatrosse zu sehen. Ich wollte mir die größten flugfähigen Vögel der Welt anschauen. Die Giganten der Meere haben eine Spannweite von sagenhaften 3.60m!
Als ich in Neuseeland ankam, hatte mein Körper einiges zu verkraften. In Kanada war es bei meiner Abreise – 32°C. Hier in Neuseeland waren es +28°C tropische Wärme. Ich brauchte fast 2 Wochen, um die 60° Temperaturdifferenz zu verdauen. Meine Seele und mein Lebensgefühl brauchten sogar noch länger.
Kurz nach meiner Ankunft kaufte ich mir einen schicken, sehr günstigen 28 Jahre alten Mercedes Benz und stürzte mich in ein neues Abenteuer: 4 Monate Neuseeland. Mein Plan war es, beide Inseln zu bereisen.
Die dunkle Seite Neuseelands
Gleich in den ersten Wochen begegneten meinem naturverbundenen Herz die dunkle und traurige Seite Neuseelands. Ich brauchte eine ganze Weile, um mir bewusst zu werden, was mir so schwer zu schaffen machte und wie ich damit umgehen wollte.
In Neuseeland ist es fast nicht möglich die Fahrstraßen zu verlassen. Das Land ist überall eingezäunt und Privatland. Möchte man zu einem See, Bachlauf oder Wald muss man den Eigentümer fragen. Querfeldein wandern geht eigentlich gar nicht.
Ganz anders im Yukon, das Land ist frei. Man kann überall hin, lagern und ein Feuer machen.
Dazu kommt, dass 75 Prozent aller ursprünglichen Wälder abgeholzt und in riesige Viehweiden oder Kiefern Monokulturplantagen umgewandelt wurden.
Durch die intensive und extreme Landnutzung sind alleine bei den Vögeln über 40 Prozent der Vogelarten ausgestorben und viele stehen kurz davor.
Die schnell wachsende Kiefer ist der Garant für das große und schnelle Geld.
In Reih und Glied werden die Monokulturen angepflanzt. Alles was nicht dazu gehört wird totgespritzt. Durch das milde neuseeländische Klima hat eine Kiefer jedes Jahr einen Dickezuwachs von bis zu 6 cm. Bei uns in Deutschland ist es weniger als die Hälfte.
Mit ca. 25 Jahren sind die Bäume „erntereif“. Riesige Flächen werden kahlgeschlagen: kilometerweise abgeholzte und aufgerissene Erde.
Ein ökologisches Desaster für Alles, was dort gelebt hat. Obendrein spült der Regen die fruchtbare Erde weg und lässt ganze Hänge abrutschen. Nach einigen „Waldernten“ ist das Land ausgehungert, verödet. Danach wächst nur noch eine Art Steppengras, das als Schafweide genutzt wird.
Die Tierseite ist ebenso katastrophal. Ich kenne kein Land, das so viele Wildtiere importiert und freigelassen hat wie Neuseeland. Als ich das erste Mal in einen Park ging, um neuseeländische Vögel zu beobachten begegneten mir fast ausschließlich Vogelarten aus Europa. Haussperling, Star, Amsel, Heckenbraunelle, Goldammer und Singdrossel.
Die einzige einheimische Vogelart, die auch als erstes den weitgereisten Seefahrern begegnete, war die „Welcome Swallow“, eine Schwalbe.
Ursprünglich gab es auf Neuseeland so gut wie keine Säugetiere, nur Vögel und reichlich Insekten & Co. Die einzigen Säugetiere waren Robben an der Küste und eine nicht flugfähige Fledermausart.
Die ausgesetzten Tiere, wie das australische Possum, Ratten, Marder, Katzen, Hunde, Hirsche, Schweine, Kaninchen, ja die Liste ist sehr lang, machen den einheimischen Tieren und Pflanzen schwer zu schaffen. Viele Wälder sind gespenstisch still.
Ein Überleben ist für die meisten einheimischen Vogelarten nur noch auf säugetierfreien Inseln möglich.
Die Antwort der Neuseeländer auf die „Pesttiere“, wie sie sagen, sind Gift und Fallen. In vielen Nationalparks wurden per Hubschrauber tonnenweise vergiftetes Futter für Hirsche, Schweine, Possums, Ratten, Marder …. aus der Luft abgeworfen. Die Tragweite des Gifteinsatzes ist für Tier, Mensch, Boden und Wasser nicht abzusehen, zumal manche Gifte in anderen Ländern verboten sind. Ironischerweise wird dann doch davor gewarnt, aus dem Gebiet für eine Zeitlang kein Wasser zu trinken, Früchte zu sammeln, keine gejagten Tiere zu essen und auf Kinder aufzupassen, dass sie nicht mit dem Gift in Kontakt kommen.
Alte Kauribäume und innerer Frieden
Ich brauchte eine ganze Weile, bis ich mich aus meinem inneren, düsteren Tal befreien konnte. Meine eingeschwungene Wahrnehmung sah überall nur noch Zerstörung.
Ich kenne das Gefühl, es macht mich sehr eng. Zuflucht, Ruhe und Frieden fand ich in den wunderschönen Nationalparks mit ihren riesigen und alten Kauribäumen und den weiten und wilden Stränden.
Auf der Nordinsel begegnete ich, wie die Maoris sagen, dem beeindruckenden „Lord oft the Forest“. Es ist der größte und älteste Kauribaum Neuseelands. Er ist sagenhafte 54m hoch, hat einen Stammumfang von 16m und hat ein reifes Alter von über 2000 Jahren. Was für ein Gigant. Meine Kamera konnte ihn nicht fassen.
Als ich ihm das erste Mal begegnete, konnte ich nicht anders als „nur“ still dasitzen, lauschen und die friedvolle Kraft zu genießen. Ich beobachtete das traumhafte Lichtspiel im Dschungelwald, roch den Dschungelatem und lauschte dem Gesang der Vögel. All das befriedete mich und ich kam wieder zu mir.
In meiner Jugend habe ich viel gegen Naturzerstörung gekämpft. Ich weiß, wenn ich meine Aufmerksamkeit zu lange auf die dunkle Seite richte, dann frustriert es mich zutiefst und macht mich aggressiv. Hier beim „Lord“ und bei den „Vier Schwestern“ und beim Gesang der Vögel und Insekten konnte meine Seele ein “Vollbad“ nehmen. Einen großen Dank für die friedvolle Zeit.